Die Esoterik-Etage.

Sie ist um die fünfzig, eine Gesangslehrerin mit Gouvernantengesicht. Aber sie hat auch ein Special Feature: Sie tanzt Farben.

Fahrstuhlgeräusche. Wuhuuuup. Bling.

Stockwerk 1. First Floor. Esoterik-Etage.

Als der ehemalige Mathematiklehrer und Maler Johannes Itten im Oktober 1919 seine Stelle am neu gegründeten Weimarer Bauhaus antritt, hat er bereits seinen eigenen Fanclub am Start. Zwanzig Studierende, vor allem Frauen, haben alles stehen und liegen lassen und sind ihm aus Wien hinterhergereist. Denn Itten ist anders als alle anderen. Sein Kopf ist kahl rasiert. Er trägt lange, weite Gewänder. Er meditiert, er isst vegetarisch und er lebt in klösterlicher Abkehr vom „Weltgetriebe“, wie er es nennt. Trotzdem geht er ab und zu auf Kongresse. Auf einem solchen begegnet er Gertrud Grunow. Sie ist um die fünfzig, eine Gesangslehrerin mit Gouvernantengesicht. Aber sie hat auch ein Special Feature: Sie tanzt Farben.

12 Farben, 12 Töne, 12 Formen, 12 Bewegungen
– 12 Orgasmen bei Johannes Itten –
und eine verrückte Gouvernante, die das alles zusammenbringt.

Itten holt sie vom Kongress raus ans Bauhaus,
In den Vorkurs-Unterricht, der bald für alle verpflichtend ist.
Denn Grunow geht es nicht nur um schnödes Getanze,
Ihr Ziel ist nichts mehr als das Große und Ganze,
Kunst zu begreifen, empfindungsgenau, fordert sie streng:
„Bitte tanzen Sie nun die Farbe Blau!“

Und die Studentinnen blicken betreten zu Boden.
So ham sie sich „Bauhaus“ nicht vorgestellt.
Aber was soll’n sie machen, ist nun mal Pflichtkurs
und so ertanzen die tapfer die Farben der Welt,
die bisher noch ziemlich eng für sie war.

Doch sie sind die Unbezähmten, die Abenteuerinnen ihrer Zeit
Und mit Itten und Grunow wird ihre Welt weit.
Sie gehen an Grenzen, sie zerreißen Tapeten, sie spielen mit Mustern und feiern Feten.
Eine Zeit im Leben eben, von der jeder weiß: irgendwie weird, aber geiler Scheiß!

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Mehr über Gertrud Grunow gibt’s auf  gertrud-grunow.de.