Die Weberei-Etage.
Die Weberei wird zur Frauenklasse erklärt. Und die Frauen beginnen zu weben. Zwei der begabtesten unter Ihnen: Die Freundinnen Benita Otte und Gunta Stölzl.
Stockwerk 2. Second Floor. Weberei-Etage.
Walter Gropius war unvorsichtig. Was für das Bauhaus zählt, ist die Begabung, nicht das Geschlecht, verkündet er im Frühjahr 1919. Im Sommer sind plötzlich mehr Frauen als Männer an der Schule. Damit hatte keiner gerechnet. Vor allem Gropius nicht. Nun wird der Lehrkörper nervös. Man will lieber keine Frauen in der Töpferwerkstatt, besser auch nicht im Druck und schon gar nicht in der Metallverarbeitung. Schließlich wird die Weberei zur Frauenklasse erklärt. In der Hierarchie von Kunst und Handwerk steht sie an letzter Stelle. Damit können die Bauhausmeister leben. Gropius wischt sich mit einem Taschentuch ein paar Schweißperlen von der Stirn. Und die Frauen beginnen zu weben.
Zwei der begabtesten unter ihnen heißen Benita Otte und Adelgunde Stölzl. Aber Adelgunde hat keinen Bock, dass sie jemand in diesem Text Adelgunde nennt. Sie ist Gunta, 22 Jahre alt. Mit Zeichnungen von der Westfront hat sie sich in Weimar beworben. Sie war Rotkreuzschwester im 1. Weltkrieg und ihr Urgroßvater Webermeister. Jetzt setzt sie sich vor einen mit unzähligen Fäden bespannten Webstuhl und legt los.
Für viele ist die Weberei nur der Mädchenflur.
Es gibt null Strategie und wenig Struktur,
Doch genau das macht es spannend für Benita und Gunta.
Sie weben die Schiffchen hinauf und hinunter,
Verbinden die Fäden, wie’s ihnen passt,
Sie probieren viel aus und lernen, sodass
Sie bald selbst den anderen zeigen, wie’s geht
Und in ihrem Freiraum was Neues entsteht.
„Wir weben, wir weben“, sagen sie eben
Und was sie weben, wird gut.
>> Weiterfahren zu Stockwerk 3. Die kommerzielle Etage.
Mehr über Benita Otte gibt’s auf fembio.org. Über Gunta Stölzl spricht ihre Tochter Marion auf bauhaus-dessau.de.